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Buchtipp: Allen Frances: Normal – Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen

    Im Jahr 1980 galt es als normal, dass eine Person nach dem Verlust eines nahen Angehörigen bis zu einem Jahr lang trauert. Im Jahr 1994 empfahlen Psychiater jedoch, mindestens zwei Monate Trauer zuzulassen, bevor sie Traurigkeit, Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Apathie als behandlungsbedürftige Depression diagnostizierten. In der neuesten Ausgabe des Katalogs psychischer Störungen „DSM 5“, die im Mai 2013 veröffentlicht wurde, wird nun empfohlen, schon nach wenigen Wochen die Alarmglocken zu läuten. Der renommierte Psychiater Allen Frances hat vor einer möglichen Inflation von Diagnosen in der Psychiatrie gewarnt, da alltägliche Sorgen und Gemütszustände, die Teil des Lebens sind, als psychische Krankheiten bezeichnet werden könnten. Seine Warnungen unterstreichen die potenziell explosiven Folgen, die die Veröffentlichung des DSM 5 mit sich bringen könnte.

    In seinem grundlegenden Buch gibt der renommierte Psychiater Allen Frances einen umfassenden Überblick über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft psychiatrischer Diagnosen und wirft gleichzeitig einen aufschlussreichen Blick auf die möglichen Folgen der Pathologisierung normalen menschlichen Verhaltens. Er erklärt fachkundig die Interessen, die diese Veränderungen vorantreiben, und bietet wirksame Gegenmaßnahmen, um unser Recht auf Normalität zu wahren. Ein Muss für alle, die sich für die Grenzen der Psychiatrie und den Zustand des Menschen interessieren.

    Biografie

    Allen Frances ist ein weltweit anerkannter Psychiater, emeritierter Professor für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der Duke University und Mitautor der psychiatrischen Standardwerke „DSM 3“ und „DSM 4“. Seine Fachartikel wurden in internationalen Publikationen wie der Los Angeles Times, der New York Times, der Huffington Post und Pathology Today veröffentlicht. Er ist ein gefragter Redner auf internationalen Konferenzen und wohnt derzeit in Coronado, Kalifornien. Dr. Frances gilt als einer der angesehensten Psychiater der Welt.

    Unsere Meinung

    Allen Frances, Psychiater in den USA, steht heute der Schulmedizin sehr kritisch gegenüber, die er lange Jahre selbst betrieben hat. Es kann nicht sein, dass mehr als zwei Drittel der Gesellschaft in den USA, heute auch in Deutschland, eine psychiatrische Diagnose bekommen und Psychopharmaka benötigen. Es werden zu früh und oft falsche Diagnosen gestellt. Nur ein kleiner Teil ist berechtigt als krank zu diagnostizieren. Damit ist unser Gesundheitssystem nicht mehr glaubwürdig.

    Unser Buchtipp: Allen Frances (2014). Normal – Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen. Diogenes.

    Buchtipp von Ursula Böhm