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Vortrag von Hannes Heer: Die Nazizeit als Familiengeschichte

Die Nazizeit als Familiengeschichte oder: Die Verleugnung der deutschen Schuld nach 1945 und das Geheimnis der transgenerationalen Weitergabe

Ausgangspunkt sind die 40 Millionen unschuldigen Opfer – Juden, Slawen, Sinti und Roma – die Nazideutschland 1945 hinterlassen hat.

Wie die alliierten Sieger sprachen damals auch Solitäre wie Thomas Mann, Karl Jaspers, Hannah Arendt und Alexander Mitscherlich von einer „kollektiven“ Schuld und Mitschuld des deutschen Volkes. Aber die Masse der West-Deutschen wie deren Nachkriegsregierungen hatten sich fürs Verleugnen oder Verschweigen der Verbrechen und für die Ausrede „Hitler war’s“ entschieden.

Gegen diese zur Staatsdoktrin gewordene „Derealisierung“ hat sich ab Mitte der 1950er Jahre ein Prozess der Selbst-Aufklärung und Selbst-Aneignung der deutschen Schuld entwickelt – von unten und in Form von permanenten „Geschichtsskandalen“ wie der Film Nacht und Nebel, Hochhuths Stück Der Stellvertreter, die Holocaust-TV-Serie oder die Wehrmachtsausstellung zeigen. In diesen Tabubrüchen erscheint die Nazizeit entgegen den offiziellen und privaten Legenden auch immer als „Familiengeschichte“.

Das wird an literarischen Fallbeispielen, an der Praxis der transgenerationalen „Gefühls-Erbschaften“ und an einem Modell von Erinnern und Vergessen demonstriert, das von Friedrich Nietzsche ausgeht und mit einem kritischen Blick auf Aleida Assmann endet. Auf diesem Modell beruht auch die Arbeit der „Familienrekonstruktion“, die ich zusammen mit der systemischen Therapeutin Ursula Böhm mehrmals im Jahr anbiete.

Vita

Hannes Heer, Jg. 1941, wurde nach einem Studium der Geschichte und Germanistik 1968 als prominenter 68er-Aktivist nicht zum Schuldienst zugelassen und hat in der Folge als Radioredakteur, Theaterdramaturg, Filmregisseur, Leiter der Wehrmachtsausstellung, Buchautor und zuletzt als Kurator der Ausstellung „Verstummte Stimmen“ gearbeitet, in der die Geschichte der Vertreibung meist jüdischer Künstler 1933 aus den deutschen Opernhäusern und Theatern erzählt wird. Die Fallstudie zu den Bayreuther Festspielen steht als Dauer-Installation seit 2015 auf dem Festspielhügel in Bayreuth.

Zielgruppen

  • Systemisch interessierte und arbeitende Menschen (Therapeuten, Berater), die sich für die Systemische Arbeit mit Ihren Klienten professionalisieren wollen und die Auswirkungen der Nazizeit auf deutsche Familiengeschichte (auch heute noch) besser verstehen wollen
  • Menschen, die ihre eigene Familiengeschichte vor dem Hintergrund des Dritten Reichs und der Nachkriegszeit besser verstehen möchten.

Ort

Borselstraße 7, 22765 Hamburg

Datum

11. Oktober 2016, 19:30 Uhr

Anmeldung

Wenn Sie dabei sein möchten, senden Sie bitte eine kurze E-Mail an Ursula Böhm (ursula.boehm@ispf-hamburg.de), damit wir Ihren Sitzplatz reservieren können.

Eintrittspreis

15 Euro an der Abendkasse